Die Innenbeschichtung von Trinkwasserleitungen ist keine ordnungsmäßige Verwaltung der Wohnungseigentümer!
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2012-05-24
· Rechtsanwalt Anton Bernhard Hilbert
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Der Mehrheitsbeschluss über eine Innenrohrsanierung ist anfechtbar! Zwar schätzt mancher Verwalter und Wohnungseigentümer die Innenbeschichtung von Trinkwasserleitungen. Sie ist kostengünstiger und belästigt die Bewohner viel weniger als ein Austausch. Aber dabei werden die gesundheitlichen und rechtlichen Gefahren nicht berücksichtigt oder unterschätzt.
Ist die Trinkwasserleitung (Gemeinschaftseigentum) in die Jahre gekommen und korrodiert, muss sie ersetzt werden. Ein großer Aufwand, der die Gemeinschaft mit Schmutz, Lärm und hohen Kosten belastet. Spezialisierte Fachbetriebe bieten seit ca. 25 Jahren als Alternative zum Austausch die Innenrohrsanierung. Sie soll sauberer, schneller und sparsamer sein als der Komplettaustausch. Dabei wird die korrodierte Leitung nicht ausgewechselt, sondern mit einer eingespritzten Epoxidharzbeschichtung versehen. Viele Verwalter empfehlen aus wirtschaftlichen Gründen den Eigentümern diese Alternative. Allerdings bestehen große Zweifel, ob die Innenrohrsanierung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht.
Die neue Trinkwasserverordnung, in Kraft seit dem 01.11.2011, droht Strafen an. Gesundheitliche Risiken und deren rechtlichen Folgen müssen berücksichtigt werden. Epoxidharz steht jetzt im Verdacht, krebserregend zu wirken!
Wer nicht ausreichend für den hygienisch einwandfreien Zustand der Leitungen und des Trinkwassers sorgt, kann sich neuerdings strafbar machen. Nach § 24 Abs. 1 Trinkwasserverordnung in Verbindung mit § 75 Infektionsschutzgesetz drohen Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren, mahnt Rechtsanwalt Anton Bernhard Hilbert, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht in Waldshut-Tiengen.
Seit einer Entscheidung des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2010 kann ein im Jahr 2007 zugelassenes Dichtungsmittel auf Epoxidharzbasis nicht mehr als gesundheitlich unbedenklich gelten.
Das DVGW-Lenkungskomitee für Wasserverwendung hat auf seiner Sitzung vom 24.05.2011 alle DVGW-Arbeitsblätter zur Epoxidharzsanierung zurückgezogen: Derzeit fehlten aus trinkwasserhygienischer und technischer Sicht wichtige Datengrundlagen. Somit kann die Rohrinnensanierung nicht mehr als eine Maßnahme angesehen werden, die den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Ein bedeutender Trinkwasserversorger, die Mainova ServiceDienste GmbH, verbietet seit September 2011 die Epoxidharzbeschichtung.
Nach einer Entscheidung des Amtsgerichts Köln vom 20.11.2011 (201 C 546/10) darf der Mieter nach einer Innenrohrsanierung die Miete um 20 % mindern. Grund ist die abstrakte Gesundheitsgefährdung, die einen Mangel der Mietsache darstelle. Vermietende Eigentümer sollten die "beschlusswillige" Gemeinschaft auch auf dieses Urteil hinweisen. Das Landgericht Dresden hat einem Mieter sogar ein Schmerzensgeld von 20.000 Euro wegen abstrakter Gesundheitsgefährdung zugesprochen (Urteil vom 25.02.2011, 4 S 73/10)!
Beschließt die Mehrheit trotz dieser Rechtslage dennoch die Innenrohrsanierung, kann jeder Eigentümer den Beschluss vor dem zuständigen Wohnungseigentumsgericht innerhalb einer Frist von einem Monat ab Beschlussfassung anfechten. Die Anfechtungsbegründung muss innerhalb von zwei Monaten ab Beschlussfassung erfolgen. Anfechtungsgrund ist der Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung, Kein Eigentümer muss das Risiko eigener gesundheitlicher Gefährdung oder der Gefährdung seiner Mieter in Kauf nehmen, das Risiko von Mietminderungen oder gar von Schmerzensgeldansprüchen tragen oder die Gefahr eigener Strafbarkeit!
Ist die Sanierung bereits durchgeführt, müssen das Trinkwasser und die Anlage regelmäßig auf Kontaminationen untersucht werden. Gibt es Gefährdungsanzeichen oder werden die gesetzlichen Grenzwerte nicht eingehalten, muss ein Austausch der "sanierten" Leitungen erfolgen.
von Rechtsanwalt Anton Bernhard Hilbert
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