Wenn Pflanzen in Nachbars Garten ragen – Wer muss was entfernt und wer muss zahlen?
4.161243144424132 /
5 (2735 Bewertungen)
2018-04-07
, Aktualisierung vom
2024-03-27 10:15:18.0
· Redaktion fachanwaltsuche.de
· 104616 mal gelesen
- Überwuchs darf auch bei Gefahr für Standfestigkeit entfernt werden
- Überwuchs eines geschützten Baumes muss geduldet werden
- Rückschnitt des Überwuchs durch Nachbar erlaubt
- Überwuchs von 4m muss entfernt werden
- Überwuchs von Efeu muss beseitigt werden
- Auch Rückschnitt von überwucherndem Wurzelwerk ist erlaubt
- Grundstückseigentümer muss Beseitigungskosten für Überwuchs tragen
- Rückschnitt einer Hecke auf 2 m Höhe
- Aber: Keine Beseitigung von überwachsenden Ästen bei behördlichem Verbot
- Kein Anspruch auf Rückschnitt bei eigener Verletzung der zulässigen Höhe
- Kein Schadensersatz für abgestorbene Thuja-Hecke
- Rückschnitt bei Verkehrsgefährdung auch in der Schonzeit erlaubt
- Kein Schadensersatz bei nicht nachweisbaren Rückschnitt einer Thuja-Hecke
- Rückschnitt von geschütztem Baum wegen Solaranlage?
- Inhaftierung wegen unterlassenem Rückschnitt einer Hecke unzulässig
- Kein Anspruch auf Baumfällung bei Verjährung des Beseitigungsanspruchs
Ein immer währendes Streitthema unter Nachbarn: Darf man Nachbars Pflanzen, die über den Gartenzaun wachsen und unter Umständen noch das eigene Grundstück verschatten, einfach abschneiden? Wie viel Überwuchs muss man dulden? Und wer muss die Kosten für die Beseitigung der überwachsenden Pflanzen tragen?
Überwuchs darf auch bei Gefahr für Standfestigkeit entfernt werden
Der Bundesgerichtshof (Aktenzeichen V ZR 234/19) hat klargestellt, dass ein Nachbar auch dann von seinem Selbsthilferecht Gebrauch machen darf und überhängende Äste abschneiden darf, wenn dadurch die Standfestigkeit des Baumes gefährdet werden könnte. Auch das Landgericht Koblenz (Aktenzeichen 13 S 8/21) entschied, dass ein überhängender Walnussbaum gestutzt werden muss, wenn die Nachbarn das so vereinbart haben. Daran ändert auch nichts, dass der Rückschnitt zum Absterben des Baums führen kann.Überwuchs eines geschützten Baumes muss geduldet werden
Äste die vom Nachbarn aufs eigene Grundstück ragen, dürfen nicht einfach abgeschnitten werden. Das musste etwa ein Grundstücksbesitzer erfahren, auf dessen Grundstück die Äste einer geschützten Rotbuche vom Nachbargrundstück rüber ragten. Diesen Überwuchs musste er dulden, da ein Abschneiden der Äste zur Schädigung des geschützten Baums führen würden, entschied das Landgericht Koblenz (Aktenzeichen: 6 S 162/06).Rückschnitt des Überwuchs durch Nachbar erlaubt
Kommt ein Nachbar seiner Pflicht überhängende Äste zu beseitigen nicht nach, kann der davon beeinträchtigte Nachbar selbst zur Heckenschwere greifen, entschied das Oberlandesgericht Nürnberg (Aktenzeichen 12 U 2174/00). Voraussetzung ist, dass der Nachbar zum Rückschnitt aufgefordert wurde, aber untätig blieb.Überwuchs von 4m muss entfernt werden
Überwachsende Äste von 4 Meter Ausmaß muss ein Nachbar nicht erdulden. Das Landgericht Coburg (Aktenzeichen 33 S 26/08) urteilte, dass durch den Überwuchs von 18 Birken das Grundstück des Nachbarn erheblich durch Verschattung und herab fallendes Laub beeinträchtigt wird. Die Äste mussten entfernt werden.Überwuchs von Efeu muss beseitigt werden
Efeu ist eine stark wuchernde Pflanze. Ragt Efeu zum Nachbarn über und schädigt etwa das Mauerwerk an seiner Grundstücksmauer, muss der Überwuchs beseitigt werden, entschied das Amtsgericht München (Aktenzeichen 241 C 10407/05).Auch Rückschnitt von überwucherndem Wurzelwerk ist erlaubt
Wachsen Baumwurzeln auf das Nachbargrundstück, dürfen diese laut Landgericht Frankenthal (Aktenzeichen 2 S 132/20) im Rahmen des Selbsthilferechts des Nachbarn zurückgeschnitten werden.Grundstückseigentümer muss Beseitigungskosten für Überwuchs tragen
Grundstückseigentümer sind verpflichtet, Pflanzen, die von ihrem Grundstück auf die öffentliche Straße ragen, zu entfernen. Kommen sie dieser Verpflichtung nicht nach und beauftragt die Straßenbaubehörde ein Unternehmen mit der Beseitigung des Überwuchs, muss der Grundstückseigentümer die Kosten dafür tragen. Dies entschied das Verwaltungsgericht Mainz (Aktenzeichen 3 K 363/17.MZ). Die Verpflichtung zur Beseitigung des Überwuchs ergibt sich aus dem Landesstraßengesetz.Rückschnitt einer Hecke auf 2 m Höhe
Im Rahmen eines Nachbarschaftsstreit um den Rückschnitt von Kirschlorbeerhecken hat das Amtsgericht München (Aktenzeichen 155 C 6508/19) entschieden, dass Hecken an der Grundstücksgrenze zum Nachbarn nach bayerischem Landesrecht nicht höher als zwei Meter sein dürfen und auf dieser Höhe gehalten werden müssen.Aber: Keine Beseitigung von überwachsenden Ästen bei behördlichem Verbot
Wurde einem Nachbarn behördlich untersagt bestimmte Äste, die von seinem Grundstück auf einen anderes rüberwachsen, zu beseitigen, kann auch der Nachbar keinen Rückschnitt verlangen, entschied das Landgericht Coburg (Aktenzeichen 12 O 118/15).Kein Anspruch auf Rückschnitt bei eigener Verletzung der zulässigen Höhe
Ein Nachbar hat keinen Anspruch auf Rückschnitt einer Hecke oder Rückbau eines Zauns auf die gesetzlich zulässige Höhe, wenn er sich selbst nicht mit seinem Zaun und seiner Hecke an die gesetzlichen Höhenvorgaben hält, entschied das Landgericht Koblenz (Aktenzeichen 13 S 6/20). Auch das Landgericht Frankenthal (Aktenzeichen 2 S 85/23) stellt klar, dass ein Grundstückseigentümer von seinem Nachbarn nicht den Rückschnitt einer zu hohen Hecke verlangen kann, wenn er selbst rechtswidrig ohne Einhaltung der erforderlichen Grenzabstände Pflanzen eingepflanzt hat.Kein Schadensersatz für abgestorbene Thuja-Hecke
Ein Nachbar, der im Verdacht steht eine Thuja-Hecke jahrelang durch Rückschnitte beschädigt zu haben, muss keinen Schadensersatz zahlen, weil diese abgestorben ist, entschied das Landgericht Frankenthal (Aktenzeichen 7 O 501/18). Die Thuja-Hecke sei Opfer des Klimawandels und nicht des Nachbarn.Rückschnitt bei Verkehrsgefährdung auch in der Schonzeit erlaubt
Sorgt ein Überwuchs von Pflanzen für eine Beeinträchtigung im öffentlichen Straßenraum, ist der Grundstückseigentümer verpflichtet für einen Rückschnitt der Pflanzen zu sorgen. Dies gilt in dem Fall auch während der Schonzeit nach dem Bundesnaturschutzgesetz, so das Verwaltungsgericht Augsburg (Aktenzeichen Au 8 K 22.130). Auch das Verwaltungsgericht Gießen (Aktenzeichen 4 L 438/23.GI) verurteilte einen Anwohner trotz Schonzeit zu einem Rückschnitt seiner in den öffentlichen Verkehrsraum ragenden Hecke. Die Verkehrssicherheit überwiegt.Kein Schadensersatz bei nicht nachweisbaren Rückschnitt einer Thuja-Hecke
Vermutet ein Nachbar nur, dass seine Thuja-Hecke vom Nachbarn gestutzt wurde, kann er keinen Schadensersatz geltend machen, entschied das Landgericht Hamburg (Aktenzeichen 311 O 296/21). Er hat aber einen Anspruch auf Unterlassung.Rückschnitt von geschütztem Baum wegen Solaranlage?
Der Betrieb einer Solaranlage hat nicht automatisch Vorrang gegenüber dem Schutz eines Baumes, stellt das Verwaltungsgericht Düsseldorf (Aktenzeichen 9 K 7173/22) fest. Es muss eine Interessenabwägung stattfinden.Inhaftierung wegen unterlassenem Rückschnitt einer Hecke unzulässig
Gegenüber einem Anwohner, der seiner Pflicht zur Straßenreinigung und zum Rückschnitt seiner Hecke im Verkehrsraum nicht nachkam, darf deshalb nicht eine Ersatzhaft angeordnet werden, entschied das Verwaltungsgericht Gießen (Aktenzeichen 4 L 2623/22.GI). Das wäre laut Gericht unverhältnismäßig.Kein Anspruch auf Baumfällung bei Verjährung des Beseitigungsanspruchs
Wird ein Nachbar durch das Laub eines Baumes gestört, der im unzulässigen Abstand zur Grenze gepflanzt wurde, kann er die Fällung des Baumes nicht fordern, wenn der landesrechtliche Beseitigungsanspruch verjährt ist, so das Oberlandesgericht Karlsruhe (Aktenzeichen 12 U 165/22).War dieser Beitrag für Sie hilfreich?
Eigene Bewertung abgeben:
Bisher abgegebene Bewertungen:
4.161243144424132 /
5
(2735 Bewertungen)
Das könnte Sie interessieren
Versicherungsrecht
,
29.01.2016
(Update 24.05.2024)
Post reinholen, Haustiere versorgen, Werkzeuge ausleihen: Nachbarn helfen sich bei den Dingen des alltäglichen Lebens.
Kommt es aber bei der nett gemeinten Nachbarschaftshilfe zu einem Schaden, stellt sich schnell die Frage, wer für den Schaden aufkommen muss.
4.233333333333333 /
5 (30 Bewertungen)
Miet- und Wohnungseigentumsrecht
,
20.11.2017
(Update 30.09.2024)
Im Herbst sind Hauseigentümer und Mieter wieder in der Pflicht den Gehweg von Laub zu befreien und den Garten für den Winter herzurichten.
Wie laut Gartengeräte sein dürfen und wie mit Überwuchs aus Nachbars Garten umgegangen werden muss, entscheiden in vielen Fällen letztlich die Gerichte.
4.523809523809524 /
5 (21 Bewertungen)
Miet- und Wohnungseigentumsrecht
,
23.07.2019
(Update 09.08.2024)
Wer mit einer Videokamera seinen Hauseingang, sein Grundstück oder das Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses überwacht, muss darauf achten, dass weder der öffentliche Bereich noch private Nachbargrundstücke von der Videoüberwachung erfasst werden.
Wie und wo ist die Videoüberwachung erlaubt?
4.26984126984127 /
5 (63 Bewertungen)
Agrarrecht
,
03.09.2015
(Update 06.06.2024)
Ob bei Tierhaltung, beim Einsatz von Spritzmitteln oder der Nutzung von landwirtschaftlichen Gebäuden - einen landwirtschaftlichen Betrieb zu bewirtschaften hat viele rechtliche Facetten.
Wir haben Ihnen interessante Urteile rund um die Landwirtschaft zusammengestellt.
4.410256410256411 /
5 (39 Bewertungen)
Miet- und Wohnungseigentumsrecht
,
01.02.2018
(Update 04.06.2024)
Türknallen, laute Musik, Geschrei oder der aufgedrehte Fernseher: Lärm und Krach in einem Miethaus haben ihre Grenzen.
Halten Mieter sich nicht an die Ruhezeiten, kann schnell ein Ordnungsgeld drohen.
4.571428571428571 /
5 (14 Bewertungen)
Miet- und Wohnungseigentumsrecht
,
24.05.2016
Ob Geruchsbelästigung oder Insektenbefall: Der Komposter in Nachbars Garten gibt häufig Anlass für Streit unter Nachbarn.
Müssen Nachbarn diese Belästigungen durch den nachbarlichen Komposter dulden?
4.538461538461538 /
5 (13 Bewertungen)
Miet- und Wohnungseigentumsrecht
,
22.07.2016
Werden in einem Einfamilienhaus in einem reinen Wohngebiet nur einzelne Zimmer vermietet, müssen Nachbarn mit erhöhtem Lärm und Müll klar kommen.
Eine Einzelzimmervermietung verstößt nicht gegen Nachbarschaftsrechte, entschied kürzlich das Verwaltungsgericht Trier.
3.8 /
5 (5 Bewertungen)
Versicherungsrecht
,
27.12.2017
(Update 28.12.2023)
Mit Raketen und lauten Böllern wird in der Silvesternacht das neue Jahr begrüßt.
Leider kommt es immer wieder zu Unfällen, bei denen Menschen verletzt werden oder Gebäude in Brand gesetzt werden.
Wer haftet in diesen Fällen?
4.413793103448276 /
5 (29 Bewertungen)
Miet- und Wohnungseigentumsrecht
,
15.11.2017
Der Immobilienmarkt boomt – es wird soviel gebaut, wie schon lange nicht mehr.
Doch aufgepasst: Wer eine Doppelhaushälfte oder ein Reihenhaus abreißen lässt, muss die gemeinsame Grenzwand vor dem Eindringen von Nässe schützen.
Der Bauherr haftet insoweit auch für Versäumnisse seines Bauunternehmers.
3.909090909090909 /
5 (11 Bewertungen)
Verkehrsrecht
,
06.10.2023
(Update 20.06.2024)
Ob vor der Grundstückseinfahrt, auf dem Radweg oder in der Parkgarage: Falschparker sind oft ein Ärgernis, weil sie die übrigen Verkehrsteilnehmer behindern.
Doch darf man Falschparker einfach so abschleppen lassen?
Wer trägt die Kosten?
Und darf man ein flasch geparktes Fahrzeug zum Beweis für eine Anzeige bei der Polizei fotografieren?
4.1063829787234045 /
5 (47 Bewertungen)
Verkehrsrecht
,
15.04.2019
(Update 09.10.2019)
Fußgänger müssen sich beim Passieren eines Radwegs davon überzeugen, dass sie diesen gefahrlos betreten können.
Seit neuestem haben Fußgänger hier neben den Radfahrern eine weitere Herausforderung: Segway-Fahrer.
Ein Gericht hat jetzt entschieden, dass ein Fußgänger bei einer Kollision mit einem Segway nicht haftet.
3.75 /
5 (4 Bewertungen)