BGH wendet das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz erstmals auch auf GmbH-Geschäftsführer an
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2012-05-16
· Rechtsanwalt Johannes Jeep
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Ein auf bestimmte Dauer bestellter Geschäftsführer einer GmbH, der nach Ablauf seines Vertrages nicht als Geschäftsführer weiter beschäftigt wird, fällt in den Schutzbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). BGH, Urteil vom 23. April 2012 - II ZR 163/10.
Bis zum Ablauf seiner Amtszeit am 31.08.2009 war der Kläger medizinischer Geschäftsführer einer Klinik-GmbH, deren Anteile von einer Stadt gehalten wurden. Für alle dienstvertraglichen Willenserklärungen war der hier eingerichtete Aufsichtsrat zuständig. Laut Dienstvertrag hatten die Parteien spätestens 12 Monate vor Vertragsablauf mitzuteilen, ob sie eine Vertragsverlängerung wünschten. Der Aufsichtsrat beschloss im Oktober 2008, den Vertrag mit dem bei Vertragsende 62 Jahre alten Kläger nicht fortzusetzen. Die Stelle erhielt ein 41-jähriger Konkurrent.
Nach Auffassung des Klägers wurde die Verlängerung seines Vertrages und die weitere Bestellung zum Geschäftsführer nur aus Altersgründen versagt. Hierin sah er einen Verstoß gegen das am 18.08.2006 in Kraft getretene AGG. Er verlangte Ersatz des materiellen, seinen Verdienst betreffenden, und des immateriellen, seinem Diskriminierungsschutz dienenden, Schadens.
Nach Auffassung des für das Gesellschaftsrecht zuständigen II. Senats findet das Gesetz auch auf Geschäftsführer einer GmbH Anwendung, soweit es um den Zugang zum Amt des Geschäftsführers und um den beruflichen Aufstieg geht. In dem Beschluss, den Kläger nach Auslaufen seines Vertrages nicht weiter als Geschäftsführer zu beschäftigen, sieht der Senat eine Entscheidung über den Zugang zum Amt. Das Gericht wendet die gesetzliche Beweisregel an, wonach der Bewerber, hier also der Kläger, nur Indizien beweisen muss, die die Diskriminierung belegen. Das Unternehmen hat dann den Beweis zu erbringen, dass der Bewerber nicht wegen seines Alters oder aus anderen unzulässigen Gründen benachteiligt wurde. Da im vorliegenden Fall der Vorsitzende des Aufsichtsrates gegenüber der Presse erklärt hatte, dass der Kläger wegen seines Alters nicht weiter beschäftigt worden sei und dass man das Unternehmen wegen des Umbruchs auf dem Gesundheitsmarkt "langfristig in den Wind stellen" müsse, kam diese Beweislastumkehr zur Anwendung.
Der II. Senat erklärte weiter, dass die konkrete Diskriminierung nicht aus den im AGG vorgesehenen Gründen gerechtfertigt war. Der Kläger hat damit Anspruch auf Ersatz seines Vermögensschadens und seines immateriellen Schadens.
Nach der Entscheidung des BGH sind auch Organpositionen von Kapitalgesellschaften hinsichtlich Zugang zum Amt und beruflichem Aufstieg in den Schutzbereich des AGG einbezogen. Dienstvertragliche und die Organstellung betreffende Erklärungen von Unternehmen müssen den Diskriminierungsschutz umfassend berücksichtigen.
von Rechtsanwalt Johannes Jeep
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