Logo Fachanwaltssuche
Von Experten beraten.
Rechtsgebiet z.B. Arbeitsrecht
Ortz.B. Köln, 50968

Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen „Arglist“

Bei der Beantwortung von Gesundheitsfragen muss ein Versicherungsnehmer sehr sorgfältig vorgehen. Falsch beantwortete Fragen ermöglichen dem Versicherer unter Umständen erhebliche Gestaltungsrechte.

Bevor es insbesondere im Bereich der Personenversicherungen zu einem Vertragsschluss zwischen dem Versicherer und dem interessierten Kunden kommt, werden diesem Fragen zu seinem Gesundheitszustand gestellt – der Versicherer möchte schließlich wissen, ob er einem gesunden oder einem gesundheitlich bereits vorbelasteten Kunden Versicherungsschutz anbieten soll.

Bei der Beantwortung der „Gesundheitsfragen“ ist dabei größte Sorgfalt geboten. Beantwortet der Versicherungsnehmer die Fragen falsch, stehen dem Versicherer erhebliche Gestaltungsrechte zu:

Er kann den Vertrag anpassen, kündigen oder von diesem zurücktreten, je nachdem ob die gefahrerheblichen Fragen fahrlässig, grob fahrlässig oder vorsätzlich falsch beantwortet wurden und die weiteren im Gesetz verankerten Voraussetzungen erfüllt sind. An eine dieser Voraussetzungen, nämlich die wirksame Belehrung über die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung gemäß § 19 Abs. 5 VVG, sind strenge Anforderungen geknüpft, siehe auch. Eine solche wirksame Belehrung, die dem interessierten Kunden gerade die Bedeutung der Gesundheitsfragen vor Augen halten soll, ist nach der Rechtsprechung aber dann nicht erforderlich, wenn dem Versicherungsnehmer sogar eine „arglistige“ Falschbeantwortung der Gesundheitsfragen zum Vorwurf gemacht werden kann – in diesem Falle kann der Versicherer, ohne dass es auf die Frage einer Belehrung ankäme, den Vertrag „anfechten“.

Der Bundesgerichtshof hat dies in einer Entscheidung vom 12.03.2014, IV ZR 306/13, damit begründet, dass der arglistig handelnde Versicherungsnehmer insoweit nicht schutzbedürftig ist, denn die von § 19 Abs. 5 VVG bezweckte Information des Versicherungsnehmers über die Folgen seines Verstoßes gegen die Anzeigepflichten verfehlt für den arglistig handelnden Versicherungsnehmer ihr Ziel, weil dieser selbst weiß, dass er vertragswidrig Falschangaben macht, um den Versicherer zum Abschluss eines Vertrages zu veranlassen, den dieser bei wahrheitsgemäßer Unterrichtung in dieser Form nicht geschlossen hätte.

Weil die Grenze zwischen „vorsätzlicher“ und „arglistiger“ Falschbeantwortung von Gesundheitsfragen eng ist, sprechen die Versicherer deshalb neben einem nur hilfsweise erklärten Rücktritt vom Versicherungsvertrag häufig die Anfechtung des Vertrages aus, gerade weil es in diesen Fällen auf eine wirksame Belehrung im Zusammenhang mit der Beantwortung der Gesundheitsfragen nicht ankommt.

Im Rechtsstreit ist dann die Frage zu klären, ob arglistiges Handeln zu bejahen ist:

Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Versicherungsnehmer gefahrerhebliche Umstände kennt, sie dem Versicherer wissentlich verschweigt und dabei billigend in Kauf nimmt, dass dieser sich eine unzutreffende Vorstellung über das Risiko bildet und dadurch in seiner Entscheidung über den Abschluss des Versicherungsvertrags beeinflusst werden kann.

Der Begriff der Arglist erfasst dabei nicht nur ein von betrügerischer Absicht getragenes Handeln, sondern auch solche Verhaltensweisen, die auf bedingten Vorsatz im Sinne eines „Fürmöglichhaltens“ reduziert sind. Voraussetzung ist aber immer, dass dem Versicherungsnehmer bei der Beantwortung der Fragen nach dem Gesundheitszustand oder nach früheren Behandlungen überhaupt bewusst ist, dass die Nichterwähnung der nachgefragten Umstände geeignet ist, die Entschließung des Versicherers über die Annahme des Antrags überhaupt zu beeinflussen.

Weil aber selbst eine bewusst unrichtige Beantwortung von Gesundheitsfragen nicht immer nur in der Absicht geschehen wird, den Willen des Versicherers entsprechend zu beeinflussen, muss der Versicherer nachweisen, dass der Versicherungsnehmer mit Hilfe der Abgabe einer falschen Erklärung auf den Willen des Versicherers einwirken wollte, sich also bewusst war, der Versicherer werde seinen Antrag nicht oder möglicherweise nur unter erschwerten Bedingungen annehmen, wenn der Versicherungsnehmer die Fragen wahrheitsgemäß beantworten würde.

Hier ist also immer im Einzelfall zu prüfen und darzulegen, was sich der Versicherungsnehmer bei Abgabe einer objektiv falsch beantworteten Gesundheitsfrage gedacht hat.

Dollinger Partnerschaft Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte
Fachanwalt für Medizinrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Rotbuchenstraße 1
81547 München

War dieser Beitrag für Sie hilfreich?

Eigene Bewertung abgeben:
Bisher abgegebene Bewertungen:
4.428571428571429 / 5 (7 Bewertungen)
Das könnte Sie interessieren
Rechtsanwalt Uwe Klatt
I. Sinn und Zweck der Umorganisationspflicht Selbstständige, die eine Berufsunfähigkeitsversicherung unterhalten, zeigen sich häufig davon überrascht, was das prüfende Versicherungsunternehmen doch für immense und weitreichende Anforderungen an die Nachweispflicht eines Betroffenen stellt. Dabei fällt ins Auge, dass nicht nur die medizinischen Nachweise zu der fehlenden Fähigkeit der Berufsausübung in einem nicht unerheblichen Maße beigebracht werden müssen und dass der Versicherer gutachterliche Untersuchungen abfordert, sondern, dass darüber hinaus in einem nicht unerheblichen Ausmaße Nachfragen zu der wirtschaftlichen Situation und zu der Betriebsstruktur des Versicherungsnehmers erfragt werden. Unwillkürlich sträuben sich hier bei dem "Überprüften" die Nackenhaare und der Selbstständige fragt sich, ob er sich eine derlei weitreichende Ausforschung ?
3.6 / 5 (5 Bewertungen)
Rechtsanwalt Christoph Kleinherne Dollinger Partnerschaft Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte
Die Abgabe eines „Kulanzangebotes“, durch welches die Beweislast zu Ungunsten des Versicherungsnehme...
4.555555555555555 / 5 (9 Bewertungen)
Verwaltungsrecht , 18.07.2012
Rechtsanwalt Uwe Klatt
Beamte, die eine Berufsunfähigkeitsversicherung unterhalten, finden in ihren Versicherungsbedingungen häufig eine Sonderregelung, die sie für den Fall der Dienstunfähigkeit privilegiert. Hat der entsprechende Beamte eine solche sog. "Beamtenklausel" in seinem Vertrag verabredet, wird dem Versicherungsnehmer insbesondere der Nachweis zum Vorliegen der Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit, wie diese dem Versicherungsvertrag zugrunde liegen, stark erleichtert.
5.0 / 5 (4 Bewertungen)
Sozialrecht , 28.08.2018 (Update 22.11.2024)
Unfälle die auf dem Weg zur Arbeit und zurück geschehen sind nur unter bestimmten Voraussetzungen vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung umfasst. Doch gilt das auch bei Unterbrechnungen der Fahrt oder bei Umwegen?
4.1571428571428575 / 5 (70 Bewertungen)
Versicherungsrecht , 28.02.2018 (Update 28.02.2018)
Rechtsanwalt Christoph Kleinherne Dollinger Partnerschaft Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte
Fehlerhaftes Vorgehen des Versicherers kann weitreichende, für Sie als Versicherungsnehmer, sehr günstige Folgen haben.
4.25 / 5 (12 Bewertungen)
Versicherungsrecht , 11.07.2018 (Update 11.07.2018)
Rechtsanwalt Christoph Kleinherne Dollinger Partnerschaft Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte
Darf ein Versicherer vom Vertrag einer Personenversicherung zurücktreten, wenn der Versicherungsnehmer Fragen zum Gesundheitszustand im Vorfeld falsch beantwortet hat?
4.571428571428571 / 5 (7 Bewertungen)
Sozialrecht , 28.06.2018 (Update 02.10.2024)
Ob spezielle Hörgeräte, Bildtelefon oder Therapiestühle: Krankenkassen lehnen in vielen Fällen die Kostenübernahme von medizinischen Hilfsmitteln ab. Wir haben Ihnen einige Urteile zusammengestellt, die zeigen, welche Hilfsmittel von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden müssen, und welche nicht.
4.154761904761905 / 5 (84 Bewertungen)
Versicherungsrecht , 01.08.2017 (Update 14.03.2023)
Beim Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung ist es ratsam wahrheitsgemäße Angaben zu machen und keine Dinge zu verschweigen, ansonsten kann die Berufsunfähigkeitsversicherung im Versicherungsfall ihre Leistungen verweigern.
4.2 / 5 (10 Bewertungen)
Sozialrecht , 25.04.2018
Eine Krankenkasse hat die Pflicht ihre Versicherten über die Schließung von Geschäftsstellen zu informieren. Unterlässt sie dies, muss sie die Folgen von verspäteten Postzustellungen tragen, entschied jüngst das Sozialgericht Koblenz.
3.8333333333333335 / 5 (6 Bewertungen)
Rechtsanwalt Hans Wilhelm Busch
Invaliditätsfristen in Unfallversicherungsbedingungen (AUB 2002) sind regelmäßig wirksam.
4.2 / 5 (5 Bewertungen)
Rechtsanwalt Siegfried Reulein KSR Rechtsanwaltskanzlei
Wie in der Vergangenheit bereits mehrfach berichtet droht Lebensversicherungsgesellschaften erhebliches Ungemach.
3.8 / 5 (5 Bewertungen)
Suchen in Rechsbeiträgen
Kanzlei
Dollinger Partnerschaft Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte
Anschrift
Rotbuchenstraße 1
81547 München
089 / 599 43 83 - 0
089 / 599 43 83 - 10
Anwaltstermin planen
Kontaktformular / Rückruf
Unser Rückruf ist kostenlos und völlig unverbindlich.
E-Mail/Internet
kleinherne@kanzlei-dollinger.de

Kontakt
drucken

Visitenkarte
(VCF)

Visitenkarte
(QR-Code)
Datenschutzeinstellungen
fachanwaltsuche.de verwendet Cookies, um die Funktionsfähigkeit unserer Website zu gewährleisten. Außerdem setzen wir zur Weiterentwicklung unserer Website im Sinne der Nutzer zusätzliche Cookies ein. Mit dem Klick auf den Button „Cookies zulassen“ stimmen Sie der Verwendung der von uns für die genannten Zwecke eingesetzten Cookies zu. Über den Button „Einstellungen verwalten“ können Sie sich über die eingesetzten Cookies informieren und den Umfang Ihrer Einwilligung konfigurieren.