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Berufsrechtliche Verstöße eines Arztes durch fehlerhafte Gutachtenerstellung in Zwangspensionierungsverfahren

Anmerkung zu VG Gießen Berufsgericht für Heilberufe, Urteil vom 16.11.2009, 21 K 1220/09.GI.B von Joachim Francke, Fachanwalt für Sozialrecht und für Medizinrecht, Francke & Partner, Düsseldorf

Der beschuldigte Facharzt für "Neurologie und Psychiatrie", mit der Zusatzbezeichnung "Psychotherapie" führte in eigener Praxis ausschließlich gutachterliche Tätigkeiten durch. Er wurde mit der Erstellung von Gutachten über die Dienstunfähigkeit bzw. begrenzte Dienstfähigkeit von vier Finanzbeamten beauftragt. Auf der Basis seiner Gutachten wurden vier Finanzbeamte wegen angeblicher Dienstunfähigkeit gegen ihren Willen in den Ruhestand versetzt. Die Finanzbeamten wandten sich an die Landesärztekammer Hessen, die dem Verwaltungsgericht Gießen als zuständigem Berufsgericht eine Anschuldigungsschrift vorlegte. Das Berufsgericht hat festgestellt, dass die vom Beschuldigten erstellten Gutachten nicht dem Stand der heutigen Gutachtenpraxis entsprechen und hat den Arzt wegen Verstöße gegen die ärztlichen Berufspflichten zur Zahlung einer Geldbuße verurteilt. Der Anteil neurologisch psychiatrischer Fragestellungen in Renten- oder ähnlichen Verfahren - sei es vor dem Sozial- Verwaltungs- oder Zivilgerichten - steigt ständig. Die Qualität der Begutachtungen variiert stark zwischen "im Massenverfahren" erstellten Gutachten einerseits und andererseits hoch qualifizierten, ausführlichen Gutachten, bei denen die Ergebnisse erforderlichenfalls durch testpsychologische Untersuchungen untermauert werden. Für den Bereich der Sozial- bzw. Versicherungsmedizin werden die Qualitätsanforderungen einerseits durch Leitlinien, andererseits durch die medizinisch-wissenschaftliche Fachliteratur beschrieben. Rechtsprechung und Literatur haben sich bislang vornehmlich mit der Frage der Unverwertbarkeit von Gutachten und daraus entstehenden prozessualen Konsequenzen beschäftigt. Die Qualitätssicherung in der medizinischen Begutachtung ist zwar Gegenstand vieler Forschungs- und Qualitätssicherungsvorhaben, dennoch finden sich nach wie vor Gutachten, die den heutigen qualitativen Anforderungen nicht gerecht werden. Dies gilt insbesondere für das Gebiet der neurologisch - psychiatrischen Begutachtung. Es handelt sich hier im Vergleich zu anderen medizinischen Disziplinen um ein relativ junges Fachgebiet. Schwierigkeiten für die Überprüfung derartiger Gutachten ergeben sich daraus, dass die vom Sachverständigen geforderte Beurteilung der Leistungsfähigkeit des "Probanden" sich nur teilweise auf klinische Fakten stützen kann. Wesentlich für das Begutachtungsergebnis sind die Angaben des Probanden und sein persönlicher Eindruck auf den Untersucher. Die hier besprochene Entscheidung zeigt auf, dass die Nichteinhaltung allgemein anerkannter Qualitätsmaßstäbe für die Begutachtung auch berufsrechtliche Konsequenzen für den gutachterlich tätigen Arzt haben kann. Das Verwaltungsgericht Gießen hat in seiner sehr umfangreichen und sorgfältig begründeten Entscheidung auf der Grundlage eines von ihm eingeholten neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens erstmals genau beschriebene Qualitätskriterien für Begutachtungen aufgestellt, die nicht nur für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit von Beamten gelten, sondern sich ohne weiteres auch auf neurologisch-psychiatrische Fachgutachten, die etwa in Renten- oder Unfallsachen eingeholt werden, übertragen lassen.

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Fachanwalt Joachim Francke
Francke & Partner Rechtsanwälte
Fachanwalt für Medizinrecht
Fachanwalt für Sozialrecht
Homberger Straße 5
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