Nachweis der Berufsunfähigkeit auch bei fehlenden objektiven Befunden möglich?
3.857142857142857 /
5 (7 Bewertungen)
2012-07-18
· Rechtsanwalt Dr. jur. Hans Wilhelm Busch
· 483 mal gelesen
OLG Saarbrücken ermöglicht vom Grundsatz her den Nachweis der Berufsunfähigkeit auch bei fehlenden objektiven Befunden
Bei Streitigkeiten über das Vorliegen einer Berufsunfähigkeit ist ein nicht selten auftretendes Problem, dass es keine objektiven ärztlichen Befunde gibt, die die zur behaupteten Berufsunfähigkeit führende Erkrankung belegen können. Bei dieser Konstellation sieht die wohl überwiegende Rechtsprechung eine Berufsunfähigkeit nicht als erwiesen an, und weist die Klage ab. Das OLG Saarbrücken hat in einem Urteil vom 19.05.2010 (Az.: 5 U 91/08-10) hierzu eine rechtlich abweichende Position bezogen, wobei die konkrete Klage allerdings letztlich ebenfalls abgewiesen wurde.
Im zu entscheidenden Fall haben die medizinischen Sachverständigen die chronisch aktive Borreliose von dem sogenannten Post-Borreliose-Syndrom abgegrenzt. Die chronisch aktive Borreliose ist ein anerkanntes, objektivierbares Krankheitsbild. Für das Post-Borreliose-Syndrom gilt dies nicht.
Dazu hat das OLG Saarbrücken nun in rechtlicher Hinsicht ausgeführt, dass der Feststellung des Be-stehens der geschilderten Beschwerden und ihrer bedingungsgemäßen Auswirkung auf die berufliche Tätigkeit des Klägers nicht von vorneherein der Umstand entgegensteht, dass die Beschwerden als solche nicht objektivierbar sind. Nach Auffassung des OLG setzt nämlich der Begriff der Berufsunfähigkeit nicht zwingend das Vorliegen objektivierbarer Beschwerden voraus. In diesen Fällen könne der nach den Bedingungen geforderte ärztliche Nachweis einer Krankheit auch auf der Grundlage einer sachverständigen Begutachtung der Beschwerdeschilderung durch den Betroffenen erfolgen.
An die Begutachtung der nicht objektivierbaren Beschwerdeschilderung des Betroffenen werden allerdings auch vom OLG Saarbrücken hohe Anforderungen gestellt. Dessen Beschwerdeschilderung darf nicht unbesehen hingenommen werden, sondern sie muss einer eingehenden Überprüfung mit den hierfür zur Verfügung stehenden Methoden und testpsychologischen Verfahren unterzogen werden.
Im zu entscheidenden Fall kam diese Überprüfung zu einem für den Kläger negativen Ergebnis, so dass die Rechtsfortbildung durch das OLG Saarbrücken in tatsächlicher Hinsicht folgenlos blieb.
Über den rechtlichen Ansatz muss man sicherlich weiter nachdenken. Es mag durchaus Sachgestaltungen geben, bei denen es vorschnell wäre, dem Kläger aufgrund des Vorliegens einer nicht objektivierbaren Erkrankung den weiteren Weg zum Nachweis der Berufsunfähigkeit allein schon deswegen abzuschneiden. Allerdings sind an den Nachweis einer Berufsunfähigkeit gleichwohl die geltenden zivilprozessualen Anforderungen zu stellen. Das Gericht muss davon überzeugt sein, dass die Behauptung für wahr zu erachten ist. Die Schwelle hierfür dürfte bei nicht objektivierbaren Erkrankungen in jedem Fall außerordentlich hoch liegen, wie es auch der vorliegende Fall bestätigt.
von Rechtsanwalt Dr. jur. Hans Wilhelm Busch
War dieser Beitrag für Sie hilfreich?
Eigene Bewertung abgeben:
Bisher abgegebene Bewertungen:
3.857142857142857 /
5
(7 Bewertungen)
Das könnte Sie interessieren
Verwaltungsrecht
,
18.07.2012
Die Berufsunfähigkeit eines Beamten unter besonderer Berücksichtigung der sogenannten Beamtenklausel
Rechtsanwalt Uwe Klatt
Beamte, die eine Berufsunfähigkeitsversicherung unterhalten, finden in ihren Versicherungsbedingungen häufig eine Sonderregelung, die sie für den Fall der Dienstunfähigkeit privilegiert.
Hat der entsprechende Beamte eine solche sog.
"Beamtenklausel" in seinem Vertrag verabredet, wird dem Versicherungsnehmer insbesondere der Nachweis zum Vorliegen der Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit, wie diese dem Versicherungsvertrag zugrunde liegen, stark erleichtert.
5.0 /
5 (4 Bewertungen)
Versicherungsrecht
,
01.08.2017
(Update 14.03.2023)
Beim Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung ist es ratsam wahrheitsgemäße Angaben zu machen und keine Dinge zu verschweigen, ansonsten kann die Berufsunfähigkeitsversicherung im Versicherungsfall ihre Leistungen verweigern.
4.2 /
5 (10 Bewertungen)
Versicherungsrecht
,
28.02.2018
Rechtsanwalt Christoph Kleinherne Dollinger Partnerschaft Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte
Die Abgabe eines „Kulanzangebotes“, durch welches die Beweislast zu Ungunsten des Versicherungsnehme...
4.555555555555555 /
5 (9 Bewertungen)
Versicherungsrecht
,
28.02.2018
(Update 28.02.2018)
Rechtsanwalt Christoph Kleinherne Dollinger Partnerschaft Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte
Fehlerhaftes Vorgehen des Versicherers kann weitreichende, für Sie als Versicherungsnehmer, sehr günstige Folgen haben.
4.25 /
5 (12 Bewertungen)
Versicherungsrecht
,
18.07.2012
Rechtsanwalt Uwe Klatt
I.
Sinn und Zweck der Umorganisationspflicht Selbstständige, die eine Berufsunfähigkeitsversicherung unterhalten, zeigen sich häufig davon überrascht, was das prüfende Versicherungsunternehmen doch für immense und weitreichende Anforderungen an die Nachweispflicht eines Betroffenen stellt.
Dabei fällt ins Auge, dass nicht nur die medizinischen Nachweise zu der fehlenden Fähigkeit der Berufsausübung in einem nicht unerheblichen Maße beigebracht werden müssen und dass der Versicherer gutachterliche Untersuchungen abfordert, sondern, dass darüber hinaus in einem nicht unerheblichen Ausmaße Nachfragen zu der wirtschaftlichen Situation und zu der Betriebsstruktur des Versicherungsnehmers erfragt werden.
Unwillkürlich sträuben sich hier bei dem "Überprüften" die Nackenhaare und der Selbstständige fragt sich, ob er sich eine derlei weitreichende Ausforschung ?
3.6 /
5 (5 Bewertungen)
gewerblichen Rechtsschutz
,
31.07.2014
Rechtsanwalt Frank Remmertz REMMERTZ SONRechtsanwälte
Nach dem Urteil des EuGH vom 03.07.2012 (C-128/11) und des BGH vom 17.07.2013 (I ZR 129/08) zur Zulässigkeit des Vertriebs „gebrauchter Software“ wird verstärkt diskutiert, ob man nicht auch eBooks, Hörbücher, Musikdateien, Video-Clips und Computerspiele nach dem Download weiterverkaufen kann, selbst wenn die Rechteinhaber dies in ihren AGBs ausgeschlossen haben.
Denn rein wirtschaftlich gesehen, so wird argumentiert, mache es keinen Unterschied (mehr), ob man ein Buch im Laden kauft oder sich ein eBook aus dem Netz downloadet.
Die Rechtsprechung sieht jedoch entscheidende rechtliche Unterschiede und lehnt eine Parallele zu Software ab, wie das OLG Hamm mit Urteil vom 15.05.2014 – Az.
22 U 60/13 – erneut bestätigt hat.
4.25 /
5 (4 Bewertungen)
Bank- und Kapitalmarktrecht
,
15.05.2012
Rechtsanwalt Hartmut Göddecke KANZLEI GÖDDECKE RECHTSANWÄLTE
Rechtsschutzversicherung muss trotz eines Ausschlusses für Kapitalanlagegeschäfte Deckungsschutz erteilen.
Diese für geschädigte Kapitalanleger äußerst wichtige Entscheidung hat das Oberlandesgericht (OLG) München getroffen.
Der im „Kleingedruckten“ enthaltene Ausschluss ist unwirksam.
Mithin besteht voller Deckungsschutz.
3.8 /
5 (5 Bewertungen)
Versicherungsrecht
,
18.07.2012
Rechtsanwalt Hans Wilhelm Busch
Haftungsfreistellungsklauseln in Kfz-Mieverträgen zu Lasten des Kunden müssen das neue VVG berücksic...
4.25 /
5 (4 Bewertungen)
Bank- und Kapitalmarktrecht
,
15.05.2012
Rechtsanwalt Hartmut Göddecke KANZLEI GÖDDECKE RECHTSANWÄLTE
Das Oberlandesgericht Bamberg (OLG Bamberg) sprach einen Bürgen von seiner Zahlpflicht frei.
Die Bank hatte eine zusätzlich vereinbarte Grundschuld des Kreditnehmers, die auch den Kredit sicherte, einfach an eine andere Bank abgetreten.
Der Bürge konnte sich freuen, da die Bamberger Richter erstmals klar entschieden, dass die Bank nicht aus freien Stücken über Sicherungsmittel verfügen kann.
3.75 /
5 (4 Bewertungen)
Medizinrecht
,
23.01.2012
Rechtsanwalt Joachim Francke Francke & Partner Rechtsanwälte
Anmerkung zu BGH, Urteil vom 07.06.2011, VI ZR 87/ 10
von Joachim Francke, Fachanwalt für Sozialrec...
4.8 /
5 (5 Bewertungen)
Bank- und Kapitalmarktrecht
,
11.10.2018
(Update 11.10.2018)
Rechtsanwalt Siegfried Reulein, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, zur BGH-Entscheidung 10.07.2018 – VI ZR 263/17.
Diese BGH-Entscheidung zum erhöhten Verlustrisiko aufgrund von Nachrangklauseln ist in mehrfacher Hinsicht sowohl für Anleger als auch Anbieter interessant.
4.333333333333333 /
5 (15 Bewertungen)