EuGH: Neue Beweislastverteilung beim Vorsteuerabzug
5.0 /
5 (1 Bewertungen)
2013-03-20
· Rechtsanwalt Johannes Jeep
· 292 mal gelesen
Entscheidend für die Anerkennung eines Vorsteuerabzugs ist die zugrunde liegende
Rechnung. Einer Recherche zu sonstigen Pflichten des Vorlieferanten bedarf es nicht.
-Urteil vom 21. Juni 2012, C-80/11, C-142/11
Entscheidung
Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass im Fall von Unregelmäßigkeiten bei einem
Lieferanten die Steuerbehörden das W issen oder Wissenmüssen des Steuerpflichtigen v on einer auf
einer v orhergehenden Umsatzstufe begangenen Steuerhinterziehung nachweisen muss. Eine über
die korrekte Rechnung des Vorlieferanten hinaus gehende Recherche zu den allgemeinen,
verfügungs-oder steuerbezogenen Pflichten des Vorlieferanten kann eine Steuerbehörde v om
Steuerpflichtigen nicht erwarten.
Begründung
Die Entscheidung betraf zwei ungarische Fälle, in denen korrekte Rechnungen zu gelieferter Ware
und erbrachten Dienstleistungen übergeben wurden, die Steuerbehörde jedoch ermittelte, dass der
Vorlieferant nicht über ausreichende W arenbestände oder konkrete Beschäftigungsv erhältnisse oder
betrieblichen Mittel für die berechneten Leistungen v erfügt habe. Die Behörde sprach den jeweiligen
Vorgängen eine reale wirtschaftliche Bedeutung ab und stufte sie als fiktiv ein. Das hiergegen
angerufene Bezirksgericht legte den Fall dem EuGH vor.
Der Gerichtshof erklärt, dass das Recht des Vorsteuerabzuges als fundamentaler Grundsatz des
Mehrwertsteuermechanismus grundsätzlich nicht eingeschränkt werden kann. Das MwSt.-System
gewährleistet die Neutralität der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten. Die
Entrichtung der MwSt. in voraus gehenden Phasen ist für das Recht auf Vorsteuerabzug nicht von
Belang. Eine Versagung wegen Steuerbetruges oder –missbrauch setzt v oraus, dass der
Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass ein v orgelagerter Umsatz in eine
Hinterziehung einbezogen war. Ohne dieses Erfordernis würde sich eine v erschuldensunabhängige
Haftung ergeben. Wissen und Wissenmüssen sind von der Behörde rechtlich hinreichend anhand
objektiver Umstände nachzuweisen. Wirtschaftsteilnehmer, die alle v ernünftigerweise zu erwartenden
Maßnahmen treffen, dürfen auf die Rechtmäßigkeit der v on ihnen erzielten Umsätze vertrauen. Das
für die nationale Umsetzung dieser Vorgaben bestehende Ermessen darf nicht zu einer generellen
Prüfungspflicht über die Steuerpflicht, das Verfügungsrecht, die steuerlichen Erklärungs-und
Zahlungspflichten des Rechnungsausstellers führen. Die eigenen Kontrollaufgaben der Behörden
dürfen nicht den Steuerpflichtigen auferlegt werden.
Praxishinweis
Nach der Entscheidung des EuGH kommt es für eine Anerkennung des Vorsteuerabzuges
entscheidend auf die Vorlage der zugrunde liegenden Rechnung an. Eine weitergehende
Dokumentation kann ohne das Hinzutreten weiterer besonderer Umstände nicht verlangt werden. Die
Verwaltung wird die oftmals zu beobachtende Abwälzung der Beweisführung auf den Steuerpflichtigen
überprüfen müssen.
von Rechtsanwalt Johannes Jeep
War dieser Beitrag für Sie hilfreich?
Eigene Bewertung abgeben:
Bisher abgegebene Bewertungen:
5.0 /
5
(1 Bewertungen)
Das könnte Sie interessieren
Steuerrecht
,
15.08.2013
Rechtsanwalt Johannes Jeep FPS Rechtsanwälte & Notare, Fritze Wicke Seelig
Auch ohne Umsatzsteuer-Identifikationsnummer kann in einem Reihengeschäft eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung vorliegen, wenn der Lieferer redlicherweise mit anderen Angaben belegen kann, dass der Erwerber ein Steuerpflichtiger ist.
- Urteil vom 28.
3.75 /
5 (4 Bewertungen)
Steuerrecht
,
07.06.2019
Aufwendungen für die Unterbringung in einem Pflegeheim oder sonstige Pflegekosten kann ein Steuerpflichtiger nur geltend machen, wenn es um seine eigene Pflege geht.
Pflegekosten von Angehörigen können nicht steuermindernd geltend gemacht werden, entschied aktuell der Bundesfinanzhof.
3.8333333333333335 /
5 (6 Bewertungen)
Arbeitsrecht
,
28.03.2017
Ein vom Arbeitgeber gewährter Rabatt auf Unternehmensleistungen stellt keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn dar.
Dies entschied das Finanzgericht Düsseldorf im Fall eines Reiseveranstalters, der seinen Mitarbeitern Rabatte auf Reisepreise einräumte.
3.5 /
5 (2 Bewertungen)
Steuerrecht
,
21.11.2018
Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Teilnahme an Online-Pokerveranstaltungen, Pokerturnieren und Cash-Games als gewerbliche Tätigkeit bewertet werden, die beim Einkommenssteuerbescheid zu gewerblichen Einkünften und umsatzsteuerpflichtigen Umsätzen führt.
4.6 /
5 (5 Bewertungen)
Steuerrecht
,
08.03.2018
Grundstückseigentümer, die in ihrem Garten Biberschäden beseitigen und eine Bibersperre errichten müssen, können diese finanziellen Aufwendungen bei ihrer Einkommenssteuer nicht als außergewöhnliche Belastung geltend machen.
4.6 /
5 (5 Bewertungen)
Arbeitsrecht
,
04.12.2017
(Update 17.05.2024)
Bei der Schwarzarbeit werden Auftraggeber und Auftragnehmer gleichermaßen bestraft.
Unternehmer, die Schwarzarbeit für einen anderen leistet, haben keinen Anspruch auf Entlohnung.
Auftraggeber einer Schwarzarbeit gehen im Hinblick auf Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüchen leer aus.
4.142857142857143 /
5 (105 Bewertungen)
Verwaltungsrecht
,
25.07.2018
(Update 06.11.2024)
Das Auswahlverfahren für angehende Polizisten ist streng.
Da können Brustimplantate, die Körpergröße, eine Jugendstraftat oder charakterliche Bedenken ein Grund sein, die Einstellung in den Polizeidienst zu verweigern.
Doch zu Recht?
4.142857142857143 /
5 (98 Bewertungen)
Medizinrecht
,
27.04.2020
Rechtsanwalt Christoph Kleinherne Dollinger Partnerschaft Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte
In der derzeitigen Corona-Pandemie stellen sich vermehrt Anfragen zum Thema „Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung“.
Dieser Beitrag beantwortet eine Reihe von Punkten dazu.
4.09433962264151 /
5 (53 Bewertungen)
Bank- und Kapitalmarktrecht
,
13.05.2014
Rechtsanwalt Siegfried Reulein KSR Rechtsanwaltskanzlei
In der Vergangenheit galten Lebensversicherungen als attraktive Geldanlage und als Möglichkeit der Vorsorge für das Alter.
Diese Zeiten scheinen vorbei, wenn man einen Blick auf die Entwicklung des Garantiezinses in den letzten 25 Jahren wirft.
Dieser ist sukzessive zurückgegangen und befindet sich nunmehr auf einem historischen Tief.
Auch die Überschussbeteiligungen lassen nicht zuletzt in einer Niedrigzinsphase zu wünschen übrig.
4.5 /
5 (4 Bewertungen)
gewerblichen Rechtsschutz
,
10.11.2014
Rechtsanwalt Frank Remmertz REMMERTZ SONRechtsanwälte
Die Firma Apple Inc.
sorgt zur Zeit nicht nur mit neuen Produkten für Aufsehen.
Sie hat auch im Bereich des Markenschutzes einen werbewirksamen Erfolg für sich verbuchen können: Das look & feel der bekannten Flagship Stores genießt zumindest teilweise Markenschutz.
Das geht aus einem Urteil des EuGH vom 10.07.2014 – C-421/13 – Apple/DPMA hervor.
4.166666666666667 /
5 (6 Bewertungen)
Bank- und Kapitalmarktrecht
,
14.05.2014
Rechtsanwalt Siegfried Reulein KSR Rechtsanwaltskanzlei
Mit einer Entscheidung vom 30.04.2014 – C-26/13 – hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) einen weiteren Beitrag auch zum Verbraucherschutz in Deutschland geleistet, indem er Aufklärungspflichten bei Fremdwährungs-darlehen normiert hat.
4.333333333333333 /
5 (3 Bewertungen)